Die Geschichte der (Mainzer) Leineweber

Die Tanzgruppe „Leineweber“ gibt es schon seit  Ende der 70er Jahre. Sie wurde im Raum Hannover gegründet, bevor 1980 auch in Mainz eine Leineweber-Gruppe entstand.

In der Musikszene der 70er Jahre hatte „Folkmusic“ einen festen Platz. Junge Leute hörten Folk aus englischsprachigen Ländern, entdeckten mit Liedermachern wie Hannes Wader und Gruppen wie Liederjan oder Zupfgeigenhansl die eigene Volksliedtradition neu. Einige gewannen über Tanzseminare auch einen neuen Zugang zu traditionellen Volkstänzen.

Hartmut

Ein Student mit Namen Hartmut, der sich für traditionelle Musik und Tänze interessierte, wurde damals zum „Gründervater“ der Leineweber. Hartmut entwickelte bald seinen eigenen Stil. Die Erarbeitung der Tänze wurde zu einer Aufgabe der ganzen Gruppe, bei der jeder Einzelne Mitverantwortung übernahm. Die Gruppe arbeitete in der Anfangszeit sehr intensiv: jede Woche fanden Treffen zur Erarbeitung der Tänze und zusätzliche Musikertreffen statt.

Leineweberfest in Heiningen 1987. Der Tänzer mit der Weste mittig unter dem Kronleuchter ist Hartmut, der "Gründervater" der Leineweber.

Auch politische Vorstellungen spielten eine Rolle, denn das Tanzen wurde in einem gesellschaftlichen Zusammenhang gesehen. Aus diesem Verständnis heraus entstand das ursprüngliche Logo der Leineweber, ein Saiteninstrument mit einer strahlenden Sonne, dem Symbol der Anti-Atomkraft-Bewegung.

Der Name „Leineweber“

Die Gruppe nannte sich „Zunft der Leineweber“. Der Name ist dem Spottlied „Die saubere Zunft der Leineweber“ entnommen. Die Leineweber gehörten zu den ärmsten Handwerkern, ihre Zunft galt als unehrenhaft und wurde oft von den anderen Zünften verspottet. Mit diesen Ausgegrenzten erklärte man sich durch die Namensgebung solidarisch.

Der Anfang in Mainz

Dass sich bald auch eine Tanzgruppe in Mainz „Leineweber“ nannte, ist Hartmuts Umzug an den Rhein 1980 zu verdanken. Er traf hier auf die Tanzleiterin Erika und ihre Volkstanzgruppe, die er für seine Idee vom Mitmach-Tanzen gewinnen konnte. Die städtische Volkshochschule bot einen geeigneten Rahmen, um Kontakte herzustellen und Räumlichkeiten zu organisieren.

Die Mainzer Leineweber tanzten unter provisorischen Bedingungen auf dem Schulflur der IGS in Mainz-Bretzenheim. Als die Alte Ziegelei in Bretzenheim für eine neue Nutzung umgebaut wurde, erhielten die Leineweber 1981 die Chance, sich in einem der Räume einen Tanzboden zu bauen. Im Sommer 1983 fand ein Leineweberfest mit vielen Gästen aus Hannover statt. In dieser Anfangszeit tanzten und musizierten die Leineweber auch bei Straßenfesten.

Wie es weiterging

Hartmut verließ Mainz 1983, und die Verantwortung für die Fortführung des Leineweber-Tanzens wurde von anderen Kursleiter/innen übernommen.

Es entstanden Verbindungen zu anderen Tanzgruppen im Rhein-Main-Gebiet, mit denen man seitdem Tänze und Tanzerklärungen austauscht und sich bei Festen trifft. Live-Musik ist ein wesentlicher Bestandteil des Leineweber-Tanzens. Das Musizieren zum Tanz ist oft Motivation, ein in der Kindheit erlerntes Instrument nach langer Pause wieder auszupacken oder gar ein Instrument ganz neu zu lernen.

Das Tanzrepertoire wird international

Das anfangs an der deutschen Volkstanztradition ausgerichtete Repertoire wurde schon früh auf internationale Tänze ausgeweitet; im Laufe der Zeit wurden internationale Tänze zum eigentlichen Inhalt des Leineweber-Tanzens. Tänzer aus Israel, Frankreich und England sowie andere Zugezogene brachten aus ihren Heimatländern oder früheren Tanzgruppen Tänze mit. Ergiebige Quellen für neue „alte“ Tänze waren und sind außerdem zahlreiche Tanzfeste und Workshops irgendwo in Deutschland oder auch in Nachbarländern – z. B. im dänischen Arhus oder in Gennetines, St. Chartier oder Lautenbach in Frankreich.

Die Leineweber heute

Die Mainzer Leineweber organisieren ihre eigenen Tanzfeste an Rosenmontag und im Herbst und immer wieder auch Workshops. Bei den Veranstaltungen treffen sich Folktänzer von Nah und Fern sowie frühere und aktuelle Teilnehmer der Tanzkurse. Ein großes „Leineweberfest“ wird jedes Jahr im Frühjahr von den Hannoveraner Tänzern ausgerichtet.

Was sich sonst noch so entwickelte ...

Über das gemeinsame Tanzen, Musizieren und Spaßhaben und nicht zuletzt auch das „in die Kneipe gehen“ nach den Kursabenden entstehen Kontakte und Freundschaften. Sie sind die Grundlage für zahlreiche weitere Aktivitäten: Ausflüge, Rad- und Wandertouren, Freizeiten, Feiern usw. Im Laufe der Jahre haben sich Wohn- und Lebensgemeinschaften gefunden, und mindestens elf Kinder verdanken bisher den Mainzer Leinewebern ihr Dasein…

Einladung zum ersten Leinweberfest 1978

 

Weil der Text teilweise schlecht zu entziffern ist, hier eine Abschrift:

DIES IST EINE   E I N L A D U N G

Es geschah im Märzen des vergangenen Jahres. Ort des Geschehens war ein Volkstanzseminar im Kreisjugendheim Gailhof
Dort kamen einige Teilnehmer* zu der Erkenntnis, daß Volkstanz etwas traditionelles, etwas überliefertes aus vergangenen Jahrhunderten ist.
Zum Tanzen gehört auch eine Musik. Unsere Ur- und Ururgroßeltern konnten zum Tanzen noch keinen Plattenspieler und kein Tonband aufbauen. Deswegen mußten sich damals Spielleute mit Geige, Flöte, Laute und anderen Instrumenten hinstellen und zum Tanzen aufspielen.

Wir haben in der darauffolgenden Zeit versucht, es auch so zu machen und werden das Gefühl nicht los, daß das ganz gut geht.

Um unserer Freude darüber Ausdruck zu geben, laden wir alle ein, die irgendwo Volkstanz machen und sich dafür interessieren, zu einem unkonventionellen

„LEINEWEBER – VOLKS – TANZ – FEST“
Am Samstag, dem 18. März 1978 um 14:00
Im Raschplatzpavillion in Hannover

Wenn Ihr in Gruppen oder Rudeln kommt, gebt uns bitte Bescheid.
Vergesst nicht, kuchen mitzubringen, dann können wir auch Kaffee trinken.
Wir freuen uns über jeden der Kommt und mitmacht.

gez. Die LEINEWEBER

*(daraus entwickelten sich später die Leineweber in Hannover)

Zehn Jahre Hannoveraner Leineweber

Dieser Artikel erschien 1987 anlässlich des 10jährigen Jubiläums des Raschplatzpavillions, einem alternativen Kulturzentrum in Hannover, wo die Hannoveraner Leineweber in ihrer Anfangszeit tanzten.

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